Halbleiter aus Mitteldeutschland: Wegbereiter für die Zukunft – Eine Strukturanalyse der Thüringer Branche

Dieser Blogbeitrag wirft einen Blick auf die Chancen und Stärken Thüringens in der Mikroelektronik, die Vielfalt der Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Ausbildungsmöglichkeiten, Förderprogramme auf EU- und Bundesebene sowie die Bedeutung dieser Industrie für die europäische Souveränität.

Die Mikroelektronik spielt eine Schlüsselrolle in einer Vielzahl von Technologien und Anwendungen. Von elektronischen Geräten über Kommunikation, Medizintechnik, Automobilindustrie bis hin zur Automatisierung – die Leistungsfähigkeit und Effizienz von Mikroelektronik ist von essenzieller Bedeutung für die technologische Entwicklung.

Den Großteil des Gesamtmarktes machen mit ca. 80% der Nachfrage die ICs aus. Zu dieser Kategorie zählen insbesondere digitale Chips, z.B. Speicherchips, Mikroprozessoren. Die restlichen 20% entfallen auf ASICs (anwendungsspezifische integrierte Schaltkreise), die individuell für sensorische oder optoelektronische Anwendungen hergestellt werden. Der Niedrigmargenmarkt im Bereich der IC wird von den asiatischen Firmen dominiert. Thüringer Unternehmen fokussieren sich dagegen eher auf ASICs.

1. Die Mikroelektronikbranche in Mitteldeutschland und Thüringen

Mitteldeutschland hat sich als wichtiger Standorte für die Mikroelektronikindustrie in Europa herauskristallisiert, dass sich durch ein hochinnovatives Ökosystem auszeichnet, welches von global agierenden Konzernen bis zu spezialisierten Mittelständlern und Start-ups reicht. Zudem profitiert die Region von einem umfangreichen Netzwerk aus Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Hochschulen, die gemeinsam an Innovationen arbeiten und die Wettbewerbsfähigkeit der Branche stärken.

Auch Thüringen hat sich zu einem bedeutenden Standort in der Mikroelektronikindustrie entwickelt. Von der Rohstoffaufbereitung über Halbleiterelemente und Mikroelektroniksysteme bis hin zur Systemintegration – der Freistaat deckt nahezu die gesamte Wertschöpfungskette ab. Dies stellt eine ausgezeichnete Basis dar, um die Position innerhalb des europäischen und globalen Marktes weiter auszubauen. Darüber hinaus stärken Forschungseinrichtungen und Universitäten das Ökosystem durch enge Kooperationen mit der Industrie. Zur Halbleiter- und Mikroelektronikbranche gehören in Thüringen 56 Unternehmen mit rund 5.500 Beschäftigten. Aktuell verfügt Thüringen über 14 Unternehmen, die direkt im Bereich der Halbleiterfertigung tätig sind. Dazu kommen ca. 23 Unternehmen, die im unmittelbaren Zusammenhang in den Bereichen Prozessmaschinenherstellung und Equipment damit stehen. (siehe Abbildung 1).

Ein vielversprechender Weg in Thüringen zur Stärkung der Mikroelektronik liegt in der Integration der Mikroelektronik mit der Photonik, da hier neue, fortschrittliche Technologien mit verbesserter Datenrate, Reichweite, Energieeffizienz und Kompaktheit geschaffen werden, die sowohl für den Markt in Thüringen als auch für Europa insgesamt von großer Bedeutung sind. Unternehmen wie Jenoptik AG, die in der Entwicklung und Produktion von optoelektronischen Komponenten führend sind, zeigen bereits jetzt schon das Potenzial dieser Synergie. Mögliche Anwendungsfelder sind hier die Informations- und Kommunikationstechnik, Produktion, Automotive, Sicherheit- und Verteidigung sowie Gesundheit und Umwelt.

2. Bedeutung der Mikroelektronik für die technologische Souveränität

Aufgrund der Bedeutung der Mikroelektronik als Schlüsselindustrie ist es wichtig, die technologische Souveränität Europas in diesem Bereich zu stärken und damit strategische Abhängigkeiten abzubauen. Lieferengpässe während der Corona-Krise haben die Wichtigkeit dieses Themas verdeutlicht. Thüringen spielt in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle, da es nahezu die gesamte Wertschöpfungskette der Mikroelektronik abdeckt und somit eine hervorragende Ausgangsposition hat, um seine Position auf dem europäischen und globalen Markt weiter auszubauen.

Für den Ausbau der technologischen Souveränität Europas ist es wichtig, die bestehenden Potenziale zu nutzen. Bildungs-, Forschungs- und Innovationspolitik müssen dabei im Mittelpunkt stehen – in Form einer intensiveren Zusammenarbeit mit Bundes- und EU-Förderprogrammen und einer stärkeren Vernetzung mit komplementären EU-Regionen. Zudem sollten langfristige Förderstrategien die gesamte Wertschöpfungskette abbilden und ihre Stärken weiter herausheben. Eine erhöhte Sichtbarkeit Thüringer Unternehmen wird zudem jungen Talenten anziehen und die Standorte für Neuansiedlungen attraktiv machen.

3. Bundes- und EU-Initiativen zur Förderung der Mikroelektronik

Rahmenprogramm der Bundesregierung für Forschung und Innovation 2021-2024

Die Bedeutung der Stärkung der technologischen Souveränität Deutschlands und Europas wurde sowohl von der Europäischen Kommission als auch von der Bundesregierung erkannt. Das Europäische Chipgesetz als auch das Rahmenprogramm zielen darauf ab, Investitionen in die Produktion von Mikroelektronik zu fördern, Verbundprojekte entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Komponentenherstellern bis zum Systemanbieter zu unterstützen und die Forschungsförderung eng mit europäischer transnationaler Förderung zu verzahnen.

IPCEI-Initiative Mikroelektronik („Important Project of Common European Interest“)

Um die Forschung und Produktion in der Mikroelektronik und der Kommunikationsbranche in der EU voranzutreiben, hat die EU-Kommission staatliche Beihilfen in Höhe von bis zu 8,1 Milliarden Euro genehmigt. Mit den genehmigten Geldern sollen insgesamt 68 Projekte in ganz Europa gefördert werden. Zusätzlich zu den staatlichen Hilfen rechnet die EU mit privatwirtschaftlichen Investitionen in Höhe von 13,7 Milliarden Euro. Neben Deutschland beteiligen sich 13 weitere europäische Länder.

Damit können Bund und Länder 31 Projekte aus elf Bundesländern bis 2029 mit insgesamt vier Milliarden Euro fördern und mehr als 4.000 neue Arbeitsplätze schaffen. 13 der Projekte haben ihren Standort in Sachsen oder Thüringen. In Thüringen erhalten die Förderung die Carl Zeiss SMT GmbH (Jena), die Adtran Networks SE (Meiningen), die X-Fab Mems Foundry GmbH Erfurt und die mi2-facotry GmbH (Jena).

Der European Chips Act

Am 8. Februar 2022 stellte die EU ein umfassendes Maßnahmenpaket vor, um die Kapazitäten in Forschung, Entwicklung und Fertigung im europäischen Halbleiter-Ökosystem zu stärken mit einem Budget von 44 Mrd. Euro. Mit Zielen wie der Steigerung der Produktionskapazitäten auf 20 % bis 2030 und dem Ausbau der europäischen Führungsrolle in Forschung und Technik sowie dem Auf- und Ausbau der Innovationsfähigkeit in den Bereichen Entwurf, Herstellung und Packaging hochmoderner Chips markiert der European Chips Act einen wichtigen Schritt zur Sicherung der technologischen Unabhängigkeit Europas.

4. Globale Perspektive: Investitionen anderer Länder

Ein Blick über den Tellerrand zeigt bemerkenswerte Investitionen anderer Länder in die Halbleitertechnologie: Die USA planen in den Jahren 2022-2026 mehr als 50 Milliarden Dollar in die Produktion und Forschung von Halbleitern und Telekommunikationsausrüstungen. Allein die Unternehmen TSMC (Taiwan) und Samsung (Südkorea) planen Investitionen von jeweils 60 Mrd. Dollar und 190 Mrd. Dollar. Auch China möchte mit dem Aus- und Aufbau der heimischen Produktion von Halbleitern mit mehr als 170 Mrd. Dollar auszubauen. Diese globalen Bestrebungen unterstreichen die strategische Bedeutung der Mikroelektronikindustrie weltweit.

5. Highlights aus Forschung und Entwicklung in Thüringen

Thüringen hat mit zahlreichen Auszeichnungen im Bereich der Mikroelektronik seine Innovationskraft unter Beweis gestellt. So erhielt die Firma JENOPTIK Optical Systems GmbH den Thüringer Innovationspreis in der Kategorie „Industrie & Material“ für die Entwicklung der UFO Probe® Card, einer Optoelektronische Prüfkarte für PIC-Wafer-Tests, die sehr schnell elektrische in optische Signale umwandeln kann. Das Fraunhofer IOF erhielt zusammen mit ZEISS und TRUMPF den Deutschen Zukunftspreis für die Entwicklung und industrielle Serienreife der EUV-Lithographie. EUV erlaubt die Herstellung immer kleinerer und leistungsfähigerer Mikrochips.

6. Netzwerke und Kooperationen stärken die Position Thüringens

Um dieses Potenzial weiterhin zu fördern, ist eine starke Vernetzung auf verschiedenen Ebenen – technologisch, persönlich und geografisch – unabdingbar. In Thüringen existiert derzeit kein Netzwerk direkt im Bereich der Mikroelektronik. Die Netzwerke ELMUG eG, SensorikNet e.V. und OptoNet e.V. haben zwar einen hohen Bezug zur Mikroelektronik, sind aber primär auf Messsysteme bzw. optische Komponenten fokussiert.

In Mitteldeutschland zeigen Beispiele wie Silicon Saxony e.V. oder Organic Electronics Saxony (OES) jedoch, wie effektiv Vernetzung sein kann. Für Thüringen bietet sich hier eine Chance, durch Zusammenarbeit sowohl innerhalb der Region als auch mit anderen europäischen Clustern seine Stellung zu festigen. Daher ist es unser Ziel, den Austausch und die Zusammenarbeit mit Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Initiativen in ganz Mitteldeutschland weiter zu intensivieren.

Netzwerkinitiativen und Verbünde in Deutschland mit Fokus auf Mikroelektronik:

  • Hightech-Netzwerk Silicon Saxony e.V. mit über 500 Mitgliedern: größte Mikroelektronik- und IT-Cluster Deutschlands sowie Europas
  • Organic Electronics Saxony (OES): mit mehr als 39 Firmen und 17 Forschungseinrichtungen befasst sich das Innovationscluster mit organischer, flexibler und gedruckter Elektronik
  • Technologiepark „Smart Systems Campus Chemnitz“: vereint Akteure aus der Wirtschaft und Wissenschaft auf dem Gebiet der Mikrosystemtechnik
  • Bayerische Cluster Leistungselektronik beteiligt sich im European Center für Power Electronics e.V. mit über 100 Mitgliedern. Zu den Schwerpunkten zählen solche Themen wie Leistungshalbleiter, Intelligente und effiziente Systeme.
  • Spitzencluster MicroTec Südwest e.V. ist mit mehr als 100 Mitgliedern eines der wichtigsten Kooperationsnetzwerke für intelligente Mikrosystemtechniklösungen in Baden-Württemberg.
  • Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland (FMD): größte standortübergreifenden FuE-Zusammenschluss für Mikroelektronik in Europa mit 11 Fraunhofer-Instituten sowie 2 Leibniz-Instituten FBH und IH

Zudem ist Thüringen Gründungsmitglied der Europäischen Halbleiterallianz ESRA („European Semiconductor Regions Alliance“). Das Ziel dieser Allianz ist im Wesentlichen die Förderung des Wachstums und der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Regionen in der Halbleiterindustrie sowie deren stärkere Vernetzung. Zu den Gründungsmitgliedern zählen neben den Freistaaten Thüringen, Sachsen und Bayern auch Hessen, Baden-Württemberg, das Saarland und Sachsen-Anhalt sowie zahlreiche weitere europäische Regionen. Insbesondere in Mitteldeutschland sind zahlreiche Akteure mit ihren starken Kompetenzen und Alleinstellungsmerkmalen im Bereich der Mikroelektronik vorhanden, um gemeinsam an der Umsetzung des Europäische Chip-Gesetzes mitwirken zu können.

7. Aus- und Weiterbildung in Thüringen (Auswahl)

Thüringen bietet eine breite Palette an Ausbildungsmöglichkeiten im Bereich der Mikroelektronik, sowohl an Hochschulen als auch in der Berufsausbildung. Ziel ist es, qualifizierte Fachkräfte im Bundesland zu halten und eine verstärkte Abwanderung zu verhindern.

Angebot an unterschiedlichen Studiengängen mit Bezug zu Mikroelektronik, z.B.:

  • Micro- and Nanotechnologies (TU Ilmenau)
  • Master of Science in Photonics (FSU Jena)
  • Mikrotechnologie/ Physikalische Technik (EAH Jena)
  • Elektro- und Informationstechnik (HS Schmalkalden)

Berufsausbildungen mit Mikroelektronikbezug:

  • Maschinenbau- und Betriebstechnik
  • Mechatronik und Automatisierungstechnik
  • Elektrotechnik
  • Softwareentwicklung und Programmierung

8. Schlussfolgerungen

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Mikroelektronik nicht nur ein wichtiger Wegbereiter für Innovationen ist, sondern auch eine Grundlage für die technologische Souveränität in Thüringen, Deutschland und Europa bilden kann. Diese ist wiederum wichtig, um Thüringens Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

Thüringen hat das Potenzial, seine Position als führender Standort für Mikroelektronik weiter auszubauen. Durch die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, insbesondere der Anwender mit mikroelektronischen Komponentenhersteller, Forschungseinrichtungen und Hochschulen und die gezielte Förderung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten kann die Region ihre Innovationskraft weiter steigern und einen bedeutenden Beitrag zur Stärkung Europas Souveränität leisten.

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